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Grusswort von Kirchenratspräsidentin Esther Straub

Ich freue mich sehr, im Namen des Kirchenrats der Zürcher Landeskirche ein Grusswort auszurichten und der Universität und ihrer Theologischen und Religionswissenschaftlichen Fakultät zum 500-Jahr-Jubiläum zu gratulieren. 

Pfrn. Dr. Esther Straub in der Aula der UZH. (Bild: Caroline Krajcir)

Ja, noch ein Grusswort. In der Reformationszeit hätten hier vor dem eigentlichen Vortrag kaum drei Personen gesprochen, sondern, wenn überhaupt, eine, und das wäre – Herr Regierungsrat, Sie verzeihen – ich gewesen. Einen Regierungsrat gab es damals noch gar nicht, sondern nur den Rat der Stadt. Die Aufsicht über die Prophezey und über das ganze Bildungswesen in Stadt und Land war dem Examinatorenkonvent übertragen unter dem Vorsitz des Antistes. Erst die erste Helvetische Verfassung führte in jedem Kanton einen Erziehungsrat ein, und mit der Mediationsverfassung wurde dann auch der Regierungsrat geschaffen.

Trotz nur eines Redners wären wir in diesen alten Zeiten allerdings nicht unbedingt schneller vorangekommen mit dem Festakt, denn es wurde gerne lange gepredigt. Nur hätte es statt vielstimmig wie heute, sehr eintönig geklungen. Und damit sind wir beim Kernproblem der damaligen Zeit: Sie waren nicht nur eins über Jahrhunderte hinweg, Rat, Prophezey/Uni und Kirche, sie mussten sich auch einig sein. Und wenn sie es nicht waren, kam es zu Unruhen und in extremis zum Putsch und zu einem toten Regierungsrat.

Heute hingegen sind wir auseinandergefädelt und stehen uns gegenüber. Die Aufgaben und Kompetenzen der Kirche wanderten ab dem 19. Jh. allmählich zum Staat und ins Bildungswesen. Zwar musste sich die Kirche vor gut 100 Jahren noch vorschreiben lassen, keine Frauen ins Pfarramt wählen zu dürfen, obwohl diese vom Staat selbst an seiner Universität ausgebildet waren – das staatliche Wahlrecht, das Frauen ausschloss, galt auch für die staatlichen Kirchen –, doch mit dem Verfassungsgesetz von 1963 und der neuen Kantonsverfassung von 2005 und dem dazugehörenden Kirchengesetz wurde die Entflechtung von Staat und Kirche noch einmal deutlich vorangetrieben. Die Pfarrpersonen sind heute keine Staatsangestellten mehr, und die sogenannten historischen Rechtstitel haben als Argumente für Staatsbeiträge ausgedient. Letztere werden auf viel sachlicherer Grundlage ausgerichtet, als Globalbeiträge für Tätigkeitsprogramme, mit denen die Religionsgemeinschaften zugunsten der Gesamtgesellschaft unterwegs sind.

1998 wurde auch die Universität aus der kantonalen Verwaltung ausgegliedert und zu einer öffentlich-rechtlichen Anstalt des Kantons mit eigener Rechtspersönlichkeit.

Und so stehen wir nun eben zu dritt hier: Regierung, Universität und Kirche. Wir sprechen vielstimmig, aus verschiedenen Perspektiven. Wir engagieren uns in unterschiedlichen Rollen und ergänzen uns gegenseitig in unserem Einsatz für das Wohl der Gesellschaft.

Wir müssen uns auch nicht mehr in allem einig sein, sondern unterschiedliche Ansichten und Einschätzungen können durchaus vorkommen, z.B. im Bereich Asyl (zwischen Sicherheitsdirektion und Kirche) oder beim Thema Pfarrmangel (zwischen Universität und Kirche). Dann braucht es das Gespräch, und dieses muss nicht zu Einigkeit führen, im Gegenteil. Auch Uneinigkeit kann Sinn machen und gegenseitig die Perspektive weiten. Zu Unruhen können die Divergenzen auch heute noch führen, aber seien Sie beruhigt: sicher nicht mehr zu Toten.

Kirche, Staat und Universität sind in ihrem Gegenüber weiterhin verbunden und vernetzt. Die Kirche ist ein präsenter und wirkkräftiger Player der Gesellschaft, und ein wichtiger Teil ihrer Akteur:innen und Verantwortungsträger:innen wurde und wird an der Universität ausgebildet. Die Kirche weiss also, was sie tut, wenn sie das prophetische Wort ergreift und «prophezeyt». Wüsste sie es nicht, müsste der Regierungsrat allererst bei seiner Universität über die Bücher und überprüfen, ob da auch alles zum Rechten stehe.

Unsere Kirche ist deshalb eine verlässliche Partnerin des Staats, weil die Theologie, von der sie geprägt ist und die ihr Reden und Handeln begründet, weil diese ihre Theologie wissenschaftlich verantwortet ist. Gerade als wissenschaftlich fundierte Theologie schafft sie einen Raum, in dem sich «Prophezey» ereignet. In der reformierten Kirche ist Prophezey genauso geistreich und geistesgegenwärtig, wie sie geistgewirkt ist. Sie teilt sich in einer Sprache mit, die verständlich und dialogfähig ist. Reformiertes Prophezeyen kann und soll auch von Menschen, die selbst nicht Teil unserer Glaubensgemeinschaft sind, nachvollzogen werden und sie bewegen.

Diese Sprach- und Anschlussfähigkeit macht unsere Kirche aus. Und deshalb zählen wir darauf, dass die Theologische und Religionswissenschaftliche Fakultät auch heute solches «Prophezeyen» weitervermittelt, dass sie Studierende in die Kunst einführt, sorgfältig zu lesen, Gelesenes zu verstehen und kritisch zu reflektieren, dass sie unsere Pfarrpersonen ausrüstet für ihren wichtigen Dienst, Kirche theologisch verantwortlich mitzugestalten.

Ich freue mich, meiner Alma Mater zum 500. Geburtstag zu gratulieren, und wünsche ihr von Herzen, dass es ihr auch in Zukunft gelingen möge, Raum und Bedingungen für das Ereignis «Prophezey» zu schaffen. Eine Prophezey, die wie damals vor 500 Jahren in unsere Gesellschaft hineinwirkt, sie weiterbringt und erneuert, eine Zürcher Prophezey, die wie damals in die Welt hinausstrahlt. Das ist es, was Not tut, mehr denn je.

Diesen Wunsch als Segenswunsch in Worten von Paulus – übersetzt nach der Froschauerbibel der Zürcher Prophezey: «Den geyst löschend nit auss. Die prophezey verachtend nit. Erfarend aber alles und das guot behaltend.» (1Thess 5,19)

Es gilt das gesprochene Wort.